November 2024 - Gedenkinschriften an Fassaden

In diesem Monat möchte ich mich, nicht zuletzt aus aktuellem Anlass, mit Gedenktafeln und Hinweisschildern an Fassaden auseinandersetzen, die mir ebenso wichtig wie notwendig erscheinen hervorgehoben zu werden, um einerseits der jüdischen Gemeinde in Simmering und deren Verlust sowie andererseits allen politisch Verfolgten im Bezirk zu gedenken. Dazu gehören sowohl Hinweistafeln an öffentlichen Bauten als auch Mahnmale und Gedenksteine an öffentlichen Orten.

 

Jakob Gartner, Synagoge Braunhubergasse, 1898/99, 1938 zerstört.

Bildnachweis: Helfried Seemann/ Christian Lunzer, Simmering Album 1880-1930, Wien 2003, Abb. 53.

 

Doch bevor wir uns auf eine detaillierte Spurensuche in unserem Bezirk begeben, lassen Sie mich kurz auf die historische Bedeutung und Tragweite der jüdischen Gemeinde in Simmering eingehen. 1891 wurde der Israelitische Tempelverein Simmering gegründet, dessen Bethaus sich in der Liegenschaft „Simmeringer Hauptstraße 111“ befand und bald zu klein für die Gemeinde geworden war. Aus diesem Grund wurde ein neues Grundstück gesucht und schließlich in der „Braunhubergasse 7“ gefunden. [1] Die Auflösung des Vereins erfolgte einige Jahre später, 1940, unter dem Nationalsozialistischen Regime.

 

Leopold Grausam, Gedenkstein für die ehemalige Synagoge, Ecke Braunhubergasse/ Hugogasse, 2003, aus Mauthausener und schwedischem Granit gefertigt. 

Bildnachweis: Privatarchiv Pelikan.

 

Gegenüber jener Stelle der infolge der Novemberpogrome am 10. November 1938 zerstörten Synagoge erinnert heute am Rand einer an die Volksschule Braunhubergasse angrenzenden Grünanlage ein Gedenkstein an den von Jakob Gartner 1898/99 errichteten Kultbau. [2] Ein kleiner Hinweis für Interessierte: Es gibt aus dem Jahr 2004 eine Diplomarbeit mit 3D- Rekonstruktion der Synagoge in der TU-Bibliothek, verfasst von Martin Kukacka. [3]

 

Ebenso finden sich heute noch einige Spuren bekannter und unbekannter Persönlichkeiten in Simmering, so zum Beispiel die Gedenktafeln für politisch Verfolgte, unter anderem Rosa Jochmann oder Bruno Kreisky, wie im Folgenden vorgestellt.

 

Bezirksvertretung Simmering, Gedenktafel für Rosa Jochmann, 2001.

Bildnachweis: Privatarchiv Pelikan.

 

Bleiben wir in der Braunhubergasse, so finden wir am Haus Nr. 23 (ehem. ‚Krankenkassahäuser‘) die am 21. Oktober 2001 [4] enthüllte Gedenktafel für eine ehemalige Bewohnerin, nämlich Rosa Jochmann (19. Juli 1901 – 28. Jänner 1994), Abgeordnete zum Nationalrat von 1945 bis 1967, sowie ehemalige Arbeiterin in Simmeringer Betrieben wie z. B. Schmidt und Söhne an der Geiselbergstraße. [5] Politisch tätig war sie vor allem als Frauensekretärin der SPÖ 1945-1959 oder auch als Vorsitzende des Frauen-Zentralkomitees der SPÖ, weshalb sie sowohl zur Zeit des Austrofaschismus als auch später unter dem nationalsozialistischen Regime politisch verfolgt wurde. Zeitlebens hat sich die KZ-Überlebende, unter anderem auch als Vizepräsidentin des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes (DÖW) von 1963 bis 1994, gegen totalitäre Regime energisch stark gemacht.

 

Kulturverein und Bezirksvertretung Simmering, Hinweistafel an Bruno Kreisky, 1995.

Bildnachweis: Privatarchiv Pelikan.

 

Eine weitere Gedenktafel, hier für Bruno Kreisky (22. Jänner 1911 – 29. Juli 1990) [6], welcher in der Zeit zwischen April 1970 bis Mai 1983 Bundeskanzler von Österreich war, befindet sich seit 15. Mai 1995 [7] an der Fassade eines Gemeindebaus in der Krausegasse 14. Kreisky wurde 1933 aus politischen Gründen während des Austrofaschismus in einem ehemaligen Polizeikommissariat, das sich hier befunden hat, gefangen gehalten, bevor er 1938 unter dem nationalsozialistischen Regime, nicht zuletzt auch aufgrund seiner jüdischen Herkunft des Landes verwiesen wurde und nach Stockholm flüchtete.

 

Erinnerungstafel in der Lorystraße 38.

Bildnachweis: Privatarchiv Pelikan.

 

Zwei weitere Gedenktafeln, die auf das Leid vor allem der jüdischen Bevölkerung auch in Simmering hinweisen, befinden sich in der Lorystraße 38 (‚Alfons Petzold-Hof‘), wo die Vertreibung einer dreiköpfigen Familie aus dieser Liegenschaft im Jahr 1938 dokumentiert ist, sowie jene Inschrift am Wohnhaus Ehamgasse 8 (‚Friedrich Engels-Hof‘) mit dem Hinweis auf die Deportation der hier einst wohnenden Ryfka Feuchtbaum und ihrer kleinen Tochter Toska.

 

VHS Simmering/ Kulturverein Simmering, Gedenktafel in der Ehamgasse 8 (Friedrich-Engels-Hof), Enthüllung 1999.

Bildnachweis: https://rotespuren.at/blog/2020/06/10/holocaustopfer-ryfka-und-toska-feuchtbaum/.

 

Namenspatin des seit 7. Juni 2011 [8] so benannten Toskawegs im 11. Bezirk, auf Höhe des Rosenhofes im Bereich der ehemaligen Mautner Markhof-Gründe ist das auf dieser Tafel genannte Kind Toska Feuchtbaum [9] (8. April 1935 – 14. Mai 1944 [10]), welches als Tochter des jüdischen Simmeringer Photographen Anschel (oder Adolf) Feuchtbaum während der NS-Herrschaft zusammen mit ihrer Mutter Ryfka im Vernichtungslager Belzec zu Tode kam.

 

So gibt es noch viele weitere Spuren politisch verfolgter und jüdischer Bewohner*innen in Simmering zu entdecken. Es lohnt sich, hin und wieder offenen Auges durch unseren Bezirk zu spazieren auch im Bewusstsein, dass wir dies heute ohne Angst vor Verfolgung oder Vertreibung tun können.

 

Beitragersteller: Thomas Pelikan


Kommentar hinzufügen

Kommentare

Es gibt noch keine Kommentare.