In diesem Monat möchte ich gerne Roland Rainer und die von ihm erbaute evangelische Kirche („Glaubenskirche“) in Simmering vorstellen.
Roland Rainer wurde am 1. Mai 1910 in Klagenfurt geboren, vor seiner Promotion 1935 studierte er an der Technischen Universität (TU) in Wien, mit Schwerpunkt Städtebau und Stadtplanung. [1] Bekannt geworden ist er vor allem durch zahlreiche Aufträge wie etwa jene für den Bau der Wiener Stadthalle (1953-58, Hallenbad 1972-75, Halle E 1994), das ORF-Zentrum am Küniglberg (1968-76, Erweiterung 1982-85, Südtrakt 1998-99), sowie die Siedlung Essling (1995-97). [2]
Seine Person ist allerdings historisch nicht unumstritten, war Rainer ab 1938 Mitglied der NSDAP und verfasste Schriften im Zusammenhang mit „Rasse und Wohnform“ auch nach 1945 („Die Behausungsfrage“, 1947), wenngleich unter Weglassung der „volksbiologischen“ Komponente. [3]
Er starb am 10. April 2004 93-jährig [4] in Wien, am 6. Juni 2006 [5] wurde der (-> 15., Roland-Rainer-Platz) vor der Wiener Stadthalle nach ihm benannt.
Charakteristisch für Rainers Architektur ist die humane und funktionalistische Formensprache, die „durch eine Zurückhaltung in der Form besticht“, [6] wie wir anhand der Glaubenskirche sehen werden.
Die evangelische Gemeinde nach Augsburger Bekenntnis (AB) setzte sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Simmering vor allem aus einer aus der römisch-katholischen Glaubensgemeinschaft ausgetretenen Arbeiterschaft einerseits, sowie Flüchtlingen und Heimatvertriebenen andererseits zusammen. [7]
Die Festlegung des Ortes für eine eigene Kirche erfolgte über Umwege, zunächst wurde in der Fickeysstraße 15 Gottesdienst gefeiert. Nach einem kurzen Gastspiel in der bis zu ihrer Zerstörung 1944 bestandenen altkatholischen Kirche in der Felsgasse übersiedelte die Gemeinde schließlich im Jahr 1951 in eine Barackenkirche (Dreifaltigkeitskirche) in der Haidestraße.
An der Stelle, an der das Gotteshaus heute steht, befand sich ursprünglich eine Notkirche aus Holz. Nach eineinhalb Jahren Bauzeit wurde die von Roland Rainer errichtete „Glaubenskirche“ (er selbst war evangelischen Glaubens, HB [8]) am 29. September 1963 in der Braunhubergasse eröffnet. Es handelte sich dabei um die hundertste evangelische Kirche, die nach 1945 in Österreich gebaut wurde. [9]
Über die Architektur Rainers schreibt Friedrich Achleitner: „Rainer hat versucht, auf dem kleinen, damals von Industriebauten umgebenen Grundstück bewußt (sic!) die Insel einer religiösen Gemeinschaft zu artikulieren. Er hat hier den Begriff von Wohnlichkeit, ein zentrales Anliegen seiner Arbeit, auf das Leben einer Glaubensgemeinschaft transformiert.“ [10]
Grundriss mit Nummerierung: 1) Eingang mit Glockenständer, 2) Kircheneingang, 3) Sakristei, 4 Kanzel, 5) Altar, 6) Taufstein, 7) Gemeindesaal, 8) Wohnung, 9) Büro, 10) Jugendraum, 11) Innenhof, 12) optische Erweiterung des Kirchenraums.
Bildnachweis: Bauen + Wohnen. Internationale Zeitschrift, Band 19 (1965), Heft 9 Österreich baut, S. 347.
Kirche (2-6) und Gemeindezentrum (7 und 10) bilden im Sinne eines Atriumhauses eine Einheit mit einem kleinen, begrünten Hof (11), man kann von den Kirchenbänken aus durch ein Fenster den Hof einsehen. Roland Rainer selbst beschreibt seine Kirche wie folgt: „Man geht durch einen niedrigen Gang (1), tritt von hinten durch ein niedriges Tor (2) in den hohen stillen Kirchenraum und hat das lichte Kreuz aus Glasbausteinen an der Altarwand vor sich.“ [11]
Evangelische Glaubenskirche, Blick Richtung Altar.
Bildnachweis: Christian Buchar für meinbezirk.at, https://www.meinbezirk.at/simmering/c-lokales/glaubenskirche-im-gespraech-mit_a3570150#gallery=null.
2016 erfolgte ein Umbau der Anlange durch Wolfgang Hochmeister, dabei wurde die Bausubstanz des Pfarrhauses generalsaniert, die Arbeitsräume um ein Büro erweitert und die Wohnung neu strukturiert. Zusätzlich erhielt das Pfarrzentrum eine barrierefreie Toilette.
Beitragersteller: Thomas Pelikan
[1] https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Roland_Rainer.
[2] https://www.architektenlexikon.at/de/1393.htm.
[3] https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Roland_Rainer.
[4] https://www.architektenlexikon.at/de/1393.htm.
[5] https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Roland-Rainer-Platz.
[6] https://www.architektenlexikon.at/de/1393.htm.
[7] https://www.glaubenskirche.at/geschichte.
[8] https://www.architektenlexikon.at/de/1393.htm.
[9] https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Glaubenskirche.
[10] Friedrich Achleitner 1990, Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert, Band 3.
[11] https://www.glaubenskirche.at/glaubenskirche-architektur.
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