Jänner 2025 - Die Rinnböck-Häuser

In diesem Jahr möchte ich alle Leserinnen und Leser gerne auf einige Streifzüge durch den Bezirk mitnehmen, in deren Fokus unterschiedliche Konzepte des Wohnbaus in Simmering stehen sollen. Anhand ganz besonderer und durchaus bemerkenswerter Baukörper und Anlagenkomplexe möchte ich dabei nicht nur die Entwicklung dieser Bauformen vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in unsere Tage aufzeigen, sondern auch versuchen, sie im historischen Kontext darzustellen.

 

Starten wir bei einem der ältesten Wohnbauprojekte auf dem Gebiet des einstigen Vorortes und heutigen Stadtbezirks, den ursprünglich direkt an der Schwelle zum dritten Wiener Gemeindebezirk, am Zusammenstoß von Rennweg und Simmeringer Hauptstraße gelegenen, heute leider nicht mehr existierenden Rinnböck-Häusern.

 

Ansicht der Rinnböck-Häuser, um 1930.

Bildnachweis: Simmering Album 1880-1930, Abb. 2.

 

Die Gebäude Simmeringer Hauptstraße 1 und 3 datieren in die Jahre 1861-65 und wurde im Stil der Frühgründerzeit vom Deichgräbermeister und Simmeringer Gemeinderat Josef Rinnböck (1816-1880; -> 11., Rinnböckstraße) ausgeführt. [1] Rinnböck war mit seinem Unternehmen am Abriss der Wiener Stadtmauer beteiligt gewesen, die dabei gewonnenen Ziegel fanden im Zuge der Errichtung dieser Bauten Wiederverwendung. Dadurch konnten in relativ günstiger Bauweise die oben abgebildeten Wohnhäuser einer aufgrund der wachsenden Industrialisierung des Bezirks benötigten Arbeiterschaft zur Verfügung gestellt werden. Der hakenförmige, ursprünglich zweigeschoßige Arbeitergroßwohnhof war nach der Eingemeindung Simmerings die zweitgrößte Wohnhausanlage Wiens nach dem Freihaus auf der Wieden. [2] Als „Meilenstein im sozialen Wohnbau“ stellt er zweifellos ein „wertvolles Zeugnis der Geschichte des Arbeiterbezirks Simmering“ dar, [3]  aufgrund von Größe und Wohnungskapazität dieser Anlage können durchaus Vergleiche zu den erst später im Roten Wien errichteten und für das Stadtbild so prägenden sozialen Wohnbauten gezogen werden.

 

Im Hof dieses Hauses befand sich ein Tanz- und Konzertsaal, der Schreindorfer-Saal, welcher sich großer Beliebtheit bei den Gästen erfreute und unter anderem auch ‚Kundschaft‘ aus der nahegelegenen Waggonfabrik anlockte, [4] nicht zuletzt durch seine Nutzung anlässlich der Darbietungen der aus Simmering stammenden Hofopernsängerin Antonia Lautenschläger. [5] Der Erlös ihrer Benefizkonzerte kam dabei immer wieder Bedürftigen des Bezirks zugute, zudem waren die Räumlichkeiten ab 1870 Treffpunkt des Arbeiterbildungsvereins Simmering, der den hier ansässigen Bewohner*innen den Zugang zu einer besseren Bildung ermöglichen sollte.

 

Die Adresse „Simmeringer Hauptstraße 1“ musste 1974 dem Bau der Südosttangente weichen. [6]

Bildnachweis: Bezirksmuseum Simmering.

 

Der Saal wurde 1955 abgerissen, eine Zeichnung blieb jedoch erhalten und vermittelt einen Eindruck der gesellschaftlichen Nutzung.

 

Der zweigeschoßige „Schreindorfer Saal“ in einer zeitgenössischen Darstellung.

Bildnachweis: Bezirksmuseum Simmering.

 

Des Weiteren soll sich in der Anlage ab 1921 auch ein Kino befunden haben, [7] über dessen Existenz allerdings kaum nähere Angaben zu finden sind.

 

Simmeringer Hauptstraße 3, Ecke Litfaßstraße 2.

Bildnachweis: https://baudenkmaeler.wordpress.com/2014/09/14/rinnbockhauser-wien-xi/.

 

Bis zuletzt wurden die Wohneinheiten der Liegenschaft als befristete Flüchtlingswohnungen der Diakonie genutzt. Trotz großer Bemühungen, auch seitens des Bezirksmuseums, zur Erhaltung dieser historischen Wohnanlage wurde 2021 mit dem Abriss begonnen und auf dem Areal ein Hotel der Kette „B&B Hotels Austria GmbH“ [8] mit einer Fläche von 1566m² errichtet. Mehrere Geschäftslokale, 178 Zimmer und 4 barrierefreie Wohnungen sowie eine Tiefgarage befinden sich heute in dem 2023/24 fertiggestellten Objekt. [9]

 

Visualisierung des „B&B Hotel“ der F+P ARCHITEKTEN ZT GMBH.

Bildnachweis: © Schreiner, Kastler Büro für Kommunikation GmbH, https://www.fp-arch.at/fp_projekte/bb-hotel-simmeringer-hauptstrasse/.

 

Beitragersteller: Thomas Pelikan


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