In diesem Jahr würde ich mich gerne mit einigen interessanten Bauwerken und Objekten unseres Bezirks sowie deren Schöpfer*innen beschäftigen. Den Beginn macht in dieser Reihe ein Gebäude, dessen früheste Wurzeln möglicherweise bis in die Zeit der Römer zurückreichen: die St. Laurenz-Kirche in Alt-Simmering, die ihr heutiges Aussehen im Laufe des 18. Jahrhunderts unter dem Baumeister Matthias Gerl dem Jüngeren erhielt.
Durch einen in den Jahren 1978/ 79 erfolgten Einstieg in den Gruftraum unterhalb der rechten Seitenkapelle der Kirche wurden unter dem Schutt des großen Umbaus von 1746 Hinweise auf frühe Zeiten gefunden, nämlich Dachziegel und ein Teilstück eines Mauerziegels mit der römischen Prägung LEGIO DECIMA GEMINA PIA FIDELIS [1], womit sich die Theorie erhärtete, dass es zum Schutz des Verbindungsweges entlang des Limes befestigte römische Wachtürme gab, auf deren Resten später zu Zeiten der ‚Herren von Simmanningen‘ die erste Dorfkirche errichtet wurde. [2]
Ihr Patrozinium dürfte auf einen ab 955 dokumentierten ‚St. Laurenz-Tag‘ zurückgehen, der an einen Sieg über die Ungarn am Lechfeld bei Augsburg erinnert. Somit kann angenommen werden, dass in zeitlicher Nähe dieses Ereignisses der erste Kirchturm von St. Laurenz geweiht wurde, archäologische Belege dazu fehlen jedoch bisher. [3] Eine erste namentliche Erwähnung als Filialkirche von St. Stephan findet sich in einer Urkunde vom 25. November 1267. [4]
Nachdem im Jahr 1485 eine Kammeramtsrechnung die militärische (verteidigende) Nutzung des Laurenzturmes gegen den anmarschierenden Matthias Corvinus vermerkte, [5] kam es schließlich 1529 zu größeren Kriegsschäden unter dem "Türkensturm", die Kirche blieb baufällig zurück und wurde unter Priester Johann Kobel (-> 11., Kobelgasse) ab 1558 wieder für Gottesdienste genutzt.
Lukas van Valkenborch, Kaiserlicher Waldspaziergang mit dem Neugebäude in Wien, 1593.
Die Bildmitte zeigt die frühere St. Laurenz-Kirche sowie im Vordergrund das Selbstportrait des Malers.
Bildnachweis: KHM Wien (Ausschnitt).
Wann und wie genau der Wiederaufbau erfolgte, kann heute nicht mehr rekonstruiert werden, eine erste bildliche Darstellung nach Fertigstellung des Wiederaufbaus der St. Laurenz-Kirche findet sich um 1590, vermutlich im Auftrag Rudolfs II. angefertigt, vom niederländischen Maler Lukas van Valkenborch. [6] Kunsthistorisch von großem Interesse ist an dieser Darstellung der teilweise erhaltene gotische Priesterchor mit Spitzbogenfenstern und Strebepfeilern, sowie ein zwischen Turm mit Satteldach und Chor befindliches niedrigeres und schmäleres Langhaus früheren Ursprungs. [7]
Auch die Zweite Wiener Belagerung durch die Osmanen (1683) blieb nicht ohne Folgen für St. Laurenz, sie wurde erneut zerstört und unter Pfarrer Johann Konrad Molitor (-> 11., Molitorgasse) 1691-93 notdürftig instandgesetzt. [8]
Erst durch Pfarrer Johann Jakob Trinkhaus (->11., Trinkhausstraße) wurde unter der Leitung von Baumeister Matthias Gerl dem Jüngeren 1746/47 ein Neubau vorgenommen, die Grundsteinlegung dafür fand am 11. Juli 1746 statt. [9] Die zwischen Turm und Priesterchor befindlichen Seitenmauern wurden komplett neu errichtet. Unklar bleibt, ob das romanische Langhaus zu dem Zeitpunkt noch fragmentarisch bestand und abgetragen wurde oder ob bereits eine neue Mauer errichtet worden war. [10]
August Stauda, Alte Simmeringer Kirche, um 1903.
Bildnachweis: Wien Museum, Inv. Nr. 28833/2.
1910 löste ein neues, 1882 gemaltes Hochaltarbild mit einer Szenendarstellung des Hl. Laurentius von Heinrich Bauer jun. das alte, 1819 gemalte Hochaltarbild „Hl Laurentius“ von Josef Hendel ab. [11] Dargestellt ist links ein die Kirchengüter fordernder Kaiser, wohingegen der Heilige Laurentius mittig auf die Armen rechts verweist, denen er diese Güter zukommen lässt. Zwei Engel über dem Kopf des Heiligen verweisen auf Martyrium und Siegespalme. [12]
Heinrich Bauer junior, Hl. Laurentius, 1882.
Bildnachweis: https://www.altsimmering.at/gallery/index.php?level=picture&id=63.
Zur übrigen Innenausstattung gehören zwei barocke Seitenaltäre aus der 2. Hälfte des 18. Jhdts., die jedoch unsignierte Altarbilder fassen. Diese zeigen links die Hl. Anna, rechts die Hl. Franziska Romana, die Kanzel wiederum zieren Darstellungen der Vier Evangelisten. [13]
Für die 1864 entstandenen Deckengemälde zeichnet der akademische Maler Heinrich Zarder verantwortlich. Dargestellt sind die vier Vertreter des Alten Bundes (Moses, Melchisedech, David und Isaias) sowie die Vier Evangelisten (Johannes, Markus, Lukas und Matthäus). Ebenfalls von Zarder stammt auch das Deckengemälde im Priesterchor, es zeigt Jesus mit den Emmausjüngern. [14]
Zu erwähnen wäre an dieser Stelle noch, dass die Laurenzglocke vom Schöpfer der Pummerin, Meister Johann Michael Achamer, 1711 gegossen wurde. Die ergänzenden drei weiteren Glocken wurden im Zuge des Innenumbaus 1957 angekauft und auf die Laurenzglocke angepasst. [15]
Von entscheidenden Veränderungen geprägt sollte die Neugestaltung des Innenraums 1975/76 sein, die Kirche wurde gemäß den liturgischen Erfordernissen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) adaptiert, der Hochaltar von 1777 wurde abgetragen und durch einen Volksaltar [16] sowie ein aus rotem Marmor gefertigtes Sacrarium (dt. Tabernakel) ersetzt. [17] Die wertvollen Tabernakeltüren des früheren Hochaltares wurden beim Sacrarium wiederverwendet. [18]
Der Baumeister Mathias Gerl der Jüngere, unter dem die St. Laurenz-Kirche ihr heutiges, spätbarockes Erscheinungsbild erhielt, stammte aus einer Wiener Baumeisterfamilie, seine Architektur entstand vor allem unter dem Einfluss Johann Lucas von Hildebrandts. Auch sein Sohn Josef war ein bekannter Architekt und Baumeister, in Wien wurde u. a. der Melker Hof in der Schottengasse unter seiner Leitung errichtet. [19] Nach Mathias Gerl ist zudem die (-> 3., Gerlgasse) im 3. Wiener Gemeindebezirk benannt.
[1] Hans Havelka, Simmering, hg. von Felix Czeike, 1991, S. 14.
[2] Hans Havelka, Simmering, hg. von Felix Czeike, 1991, S. 23.
[3] Hans Havelka, Simmering, hg. von Felix Czeike, 1991, S. 23.
[4] https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Alte_Simmeringer_Kirche.
[5] Hans Havelka, Simmering, hg. von Felix Czeike, 1991, S. 26.
[6] Hans Havelka, Simmering, hg. von Felix Czeike, 1991, S. 27.
[7] Hans Havelka, Simmering, hg. von Felix Czeike, 1991, S. 27, 28.
[8] https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Alte_Simmeringer_Kirche.
[9] https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Alte_Simmeringer_Kirche.
[10] Hans Havelka, Simmering, hg. von Felix Czeike, 1991, S. 99, 100.
[11] https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Alte_Simmeringer_Kirche.
[12] Hans Havelka, Simmering, hg. von Felix Czeike, 1991, S. 100.
[13] Hans Havelka, Simmering, hg. von Felix Czeike, 1991, S. 100.
[14] Hans Havelka, Simmering, hg. von Felix Czeike, 1991, S. 100.
[15] Hans Havelka, Simmering, hg. von Felix Czeike, 1991, S. 100, 101.
[16] https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Alte_Simmeringer_Kirche.
[17] Hans Havelka, Simmering, hg. von Felix Czeike, 1991, S. 100.
[18] https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Alte_Simmeringer_Kirche.
[19] Felix Czeike, Historisches Lexikon Wien, Band 2, 1993, S. 508.
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